DESTILLAT WILDFANG

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Auch Vegetarier beissen ungern ins Gras

Destillat. Esther Hasler begeistert mit ihrem neuen Solo-Programm „Wildfang“ das zahlreich erschienene Publikum im Teufelhof in Basel. Ein Destillat an Sprachwitz in musikalischer Perfektion

Von Jeruel & Ursula Ammann

Basel. Der Flyer des aktuellen Programms von Esther Hasler fordert heraus – ein zarter Schmetterling als Symbol für das Stück Wildfang? Eine Allegorie, die nicht zwingend auf der Hand liegt. Genau das ist die Absicht von Hasler – sie will die Zuhörenden zum Fragen bringen, herausfordern und zum Nachdenken anregen, aber keineswegs moralisierend den Zeigefinger erheben.

Die Atmosphäre im Teufelhof war sehr familiär, das aktive Teilnehmen am Programm ist hier Programm. „Basel gehört zu meinen Lieblingsjagdrevieren“, wie Esther Hasler dem Publikum mitteilte. Schnell animierte sie dieses dann aber zum Ausbruch in die Wildnis, die ihrerseits einfach so ungefragt vor sich hin wächst oder anders ausgeführt „La vie est dure dans la nature“. „Fangen wir an“ - Wer ist hier Fänger, wer ist Gefangener? Werden wir durch ihre aufgeworfenen Fragen gefangen oder fangen die Zuhörenden die Künstlerin durch ihre Gegenwart?

Sie kreiert Figuren, die Clichés bedienen und trotzdem ihre eigenen musikalischen Charaktere haben. Dabei kommt Esther Hasler ihr unglaubliches Sprach- und Imitationstalent entgegen. Sie wechselt mit filigraner Leichtigkeit zwischen verschiedenen Dialekten und Sprachen so dass sich die Zuhörenden fragen, welches wäre eigentlich ihr Ursprungsdialekt. Wo hört Esther Hasler auf, wo beginnt die Figur – die Grenzen schienen fliessend zwischen Seniorin, pausbäckigem Fisch, hyperaktiver Flirterin und Künstlerin. Esther Hasler schafft es, ohne jegliche Requisiten, einzig mit den Mitteln von Stimme, Mimik und Klavier die unterschiedlichsten Stimmungen zu zaubern.

Wenn die Welt spinnt, brauchen Menschen Entspannung. Das beruhigt – „das beunruhigt mich“, wie die Künstlerin in den Raum stellt. Schmetterlinge die gemeinhin für das Gleichgewicht der Natur stehen, sind ihrerseits gefährdet – und sei es von einer hungrigen Katze.

„Graue Panther sind manchmal wie räudige Teenager“ unterwegs. Aber immer noch „besser eine Meise, als gar keinen Vogel“. Wo die Gesellschaft alte Menschen ausrangiert, sollen Junge durch die Wüste führen, und dabei gelten dann Unternehmensoptimierung und Gewinnmaximierung als Leitstern. Regierungssysteme bleiben ebenso wenig verschont, wie unser Konsumverhalten, Lebensmittelallergien stehen gleichberechtigt neben dem kulinarischen Ausflug in die Insektenwelt und in Dschungelcamps, wo man dann auch Trampeltiere trifft. „Wer sich nicht bewegt bleibt stehen“ – auch wenn zwischendurch ein Fisch durchaus dankbar ist, nicht gegen den Strom schwimmen zu müssen. Kein Thema scheint vor ihr sicher zu sein – nichts was man nicht sprachwitzig in Frage stellen, oder in der Doppelbödigkeit hervorrütteln könnte.

Dass Esther Hasler seit nunmehr 11 Jahren auf der Bühne steht, zeigt ihre grosse Routine. Aber auch nach der 12. Aufführung des aktuellen Bühnenprogramms wirkt die Künstlerin frisch und weit weg von jeder routinierten Abhandlung eines Standards. „Mein Lampenfieber ist immer noch vor jedem Auftritt das Gleiche – das hilft mir aber auch, konzentriert zu sein und eben nicht in eine Routine zu verfallen“. Musikalisch kann Hasler jeden Musikstil bedienen, stil- und interpretationssicher tummelt sie sich querbeet durch ein riesiges Spektrum – dies notabene, ohne kaum je auf die Tasten zu sehen. Bis heute kann sie alle ihre Bühnenprogramme auswendig. Mit dem Spannungsfeld ihrer eigenen Wildheit scheint sie durchaus zurecht zu kommen. 

Basel, 21. März 2017