Züritipp vom 14. Mai 2008



Frösche und Fakes

Das diesjährige Spektakuli im Miller’s steht im Zeichen des Gesangs und anderer musikähnlicher Äusserungen. Sowie kabarettistischer Weiblichkeit.

Von Bruno Rauch

Das 15. ist das erste Spektakuli unter der neuen Theaterleitung im Miller’s. Das Programm sei zur Hauptsache von ihrem Vorgänger, Markus Ludstock, aufgegleist worden, sagt Heike Siegel. Sie habe nur noch ein paar Lücken füllen müssen. Was auffällt: Viele der zehn Programme kommen musikalisch daher. Neben dem klassischen Wortkabarett seien in der Kleinkunst immer mehr Mischformen anzutreffen, erklärt Siegel. Eine weitere Tendenz sei die (behutsam) steigende Zahl der Kabarettistinnen als Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung: Frauen leisteten sich zunehmend eine eigene Meinung, was im Kabarett neben der Unterhaltung natürlich gefragt ist - persönlich, laut, pointiert und meistens solo.

Von der conditio humana...
Eine, die das wagt, ist Esther Hasler. Prompt hat sie dafür den Preis der Berner Frauenzentrale erhalten. Dennoch ist es bezeichnend, wie es zu ihrem ersten Soloprogramm «Küss den Frosch» (Mo 19., Di 20.5.) gekommen ist: Ihr damaliger Bühnenpartner fiel aus, und ergo trat sie allein auf. Seit da fungiert der Mann nur noch als grüner Frosch im Glas. Doch statt ihn zu küssen, räsoniert die frivole Bernerin, die sich am Flügel begleitet und fast alle der 17 Songs selbst geschrieben hat, über die Konstanten der Conditio humana wie Telefonsex, Hoovertornado und Kaufrausch. Sie moduliert zwischen Brad Pitt und Bogaboo Frog und klimpert sich durch Genres: Blues, Tango, Boogie, Swing …

«Irmgard Knef», die Sorella non grata der andern (wie hiess die gleich?), gehört nur beschränkt ins Gruppenbild der singenden Damen. Musikalisch unbedingt, weiblich nur bedingt: Unter der aschblonden Perücke brilliert Ulrich Michael Heissig mit einem Best-of der letzten Programme für jene, die ihn - unverzeihlich! - bislang verpasst haben (Do 22. Fr 23.5.).

...und falschen Damen
Am gleichen oestrogenetischen Defizit leiden auch Stefan Schramm und Christoph Walter, alias Ines Fleiwa und Cordula Zwischenfisch. Sie treten zwar mit phänomenalen Wuselperücken, blond und schwarz, auf, darunter stecken aber zwei echt flotte Jungs. Als Zuzweitunterhalter aus der Band Zärtlichkeiten mit Freunden holten sie sich letztes Jahr den halben Prix Pantheon und andere Auszeichnungen. In München sind die Klamauken mit Gitarre und Schlagzeug Kult. Und das als Sachsen aus Riesa! Jedenfalls machen die zwei aberwitziges Musik-Kasperett, das «mitten ins Herts» trifft und einen Kritiker schon mal zum Vergleich mit beckettschen Typen greifen liess. Tatsächlich produzieren sie nicht nur schrägen Sound, sie kalauern und dadaisieren sich auf eine Metaebene der Absurdität und pissen der grassierenden Comedy-Manie schamlos ans Bein (Fr 16., Sa 17.5.).

Musik macht auch das GlasBlasSing Quintett. Und wie! Fünf Berliner demonstrieren, was alles in Flaschen stecken kann. Sie bringen unterschiedlich mit Wasser gefüllte Flaschen durch Blasen, Anschlagen oder sonst welche Manipulationen zum Klingen, Ploppen oder Seufzen. Pet-Behältnisse werden zum Schlagzeug, Kronkorken zu Kastagnetten, Leergut zu Liedgut. Dazu sind die Herren auch famos bei Stimme und ihre Hemden schön bunt (Do 15.5.).



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